Kolvidsson: „Möchten einen Schritt nach vorne machen“

Helgi Kolvidsson, hier als Nationaltrainer Liechtensteins nach einem Länderspiel gegen Finnland | Foto: imago images
Helgi Kolvidsson, hier als Nationaltrainer Liechtensteins nach einem Länderspiel gegen Finnland | Foto: imago images

Seit dem 1. Mai 2022 ist der ehemalige Spieler- und Trainer, Helgi Kolvidsson in seiner neuen Rolle als Leiter Sport & Organisation im Amt. Im Interview spricht der UEFA-Pro-Lizenzinhaber über seinen Werdegang und die Zukunft des SC Pfullendorf.

Helgi, wie fühlt es sich an zurück beim Sportclub zu sein?

Sehr schön! Es ist wie nach Hause zu kommen und als wäre ich nie weg gewesen. Das war ebenfalls ein Grund warum wir diesen Schritt gegangen sind. Ich hoffe hier meine Erfahrungen aus den letzten Jahren bestmöglich einbringen zu können.

Im Januar 1995 bist du zum ersten Mal nach Pfullendorf gewechselt. Wie kam damals die Verbindung aus Island zum SCP zustande?

Mein ehemaliger Trainer Arli Edvaldsson, der leider bereits verstarb, hatte selbst in der Bundesliga gespielt. Er hatte einen Draht hier in die Region und so kam der Kontakt zustande. Ich hatte eigentlich noch vier Semester als Sportlehrer an der Universität zu absolvieren, doch die Herausforderung sich als Fußballspieler in Deutschland zu beweisen hat mich sehr gereizt.

Deine erste Zeit im Linzgau war gute eineinhalb Jahre lang, ehe dein Weg 1996 zu Austria Lustenau führte. Mit welchen Worten würdest du diese Zeit im Linzgau beschreiben?

Es war eine sehr schöne Zeit. Ich habe hier meine Frau kennengelernt und mich allgemein in der Region sehr wohl gefühlt. Außerdem habe ich die Menschen im Verein und Umfeld sehr ins Herz geschlossen. Aufgrund der Sprachbarrieren war es anfangs nicht leicht sich zu verständigen, doch auch das hat sich mit der Zeit gelegt. Im Nachgang war mir klar, dass ich neben Island nur hier in der Region mein Leben verbringen möchte.

Nach Profistationen in Mainz, Ulm und Kärnten hast du 2008 deine Karriere in Pfullendorf beendet. Welche Momente aus deiner Spielerlaufbahn bleiben besonders in Erinnerung?

Jede Station meiner Karriere war sehr besonders. Mit Lustenau sind wir damals in die 1. Bundesliga aufgestiegen – mit Mainz durfte ich zwei schöne Jahre in der 2. Bundesliga miterleben und mich als Stammspieler in der Innenverteidigung beweisen. Anschließend kam ich als einer von insgesamt 14 Neuzugängen zum damaligen Zweitligisten SSV Ulm. Es war ein turbulentes Jahr mit mehreren Trainerwechseln und viel Unruhe im Verein. Dennoch bin ich auf 31 Einsätze gekommen, was mir bewies, wie sehr sich hart Arbeit auszahlen kann. Nach der Saison gab der Verein leider die Insolvenz bekannt und so musste ich schauen wie es für mich weitergeht. Mit dem FC Kärnten habe ich relativ schnell eine gute Alternative gefunden. Wir hatten es ins Pokalfinale geschafft und sogar UEFA-Cup gespielt. Auch meine Karriere in der Nationalmannschaft von Island (30 Spiele, Anm. d. Red.) war sehr besonders. Wenn man vor einem ausverkauften Stade de France gegen Größen wie Zinedine Zidane spielen darf, gibt es als Fußballer nichts Schöneres – diese Erinnerungen werden für immer bleiben.

Nach Trainerstationen in Lustenau, Wiener Neustadt und Ried, durftest du von 2016 bis 2018 als Co-Trainer der isländischen Nationalmannschaft arbeiten. Wie stolz bist du darauf diesen Beruf in deinem Heimatland ausgeübt haben zu dürfen?

Es gibt keine größere Ehre als für dein Heimatland zu spielen oder zu arbeiten. Kurz vor der Europameisterschaft 2016 wurde ich hinzuberufen und habe in erster Linie viel Gegneranalyse betrieben. Wir konnten gemeinsam die Professionalisierung der Nationalmannschaft voranbringen und gerade im Bereich Athletik habe ich versucht neue Impulse zu setzen. Da der Hype um unsere Mannschaft riesig war (Gruppensieger, Anm. d. Red.), war unser Trainerstab fast mehr damit beschäftigt Interviews zu geben als zu trainieren. (lacht) So wurde mir die Ehre zuteil die ein oder andere Trainingseinheit zu leiten, bis ich nach dem Wettbewerb fest als Co-Trainer arbeiten durfte.

Das Jahr 2018 war sicher für dich besonders. Mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Russland hießen die Gegner dann Argentinien um Weltstar Lionel Messi oder Kroatien mit Weltfußballer Luka Modric. Wie wertvoll war diese Erfahrung?

Das war eine unfassbare Erfahrung. An solch einem großen Turnier mit unserer kleinen Nation teilnehmen zu dürfen war für uns alle das Größte. Auch wenn uns von Anfang an klar war, dass wir nicht auf dem Niveau von Argentinien oder Kroatien agieren können. Wir hatten schlichtweg nicht das Spielermaterial und die Qualität dazu diesen Fußball zu spielen, deshalb mussten wir andere Lösungen finden um erfolgreich zu sein. Nur durch eine geschlossene Mannschaftsleistung und über Attribute wie Kampf und Wille, konnten wir dem Gegner Paroli bieten.

Bis Ende 2020 warst du Cheftrainer der Nationalmannschaft Liechtensteins. Worin liegen für dich die Unterschiede vom Vereinstrainer zum Nationaltrainer?

Auf dem Posten eines Vereinstrainers ist man vermeintlich mehr eingespannt als auf dem eines Nationaltrainers, so meist die Annahme der Öffentlichkeit. Doch auch der Nationaltrainer-Posten hat es in sich. Ich habe mir sehr viele Begegnungen meiner Spieler angeschaut und viel beobachtet. Da nicht alle Spiele im TV kamen, war ich sehr oft an den Wochenenden unterwegs und habe mir zum Teil zwei bis drei Spiele pro Tag angeschaut. Bereits zehn Tage vor einem Länderspiel ging die Gegnervorbereitung los. So musste man zusätzlich die gegnerischen Schlüsselspieler analysieren und versuchen gute Vorarbeit zu leisten bis die Mannschaft eintrifft. Auch die Verbandsarbeit war mitunter ein Thema, deshalb war es aus vielen Aspekten eine sehr spannende Erfahrung.

Für viele kam dein Wechsel als neuer Leiter Sport & Organisation zum SCP sicher überraschend. Umso größer ist jedoch die Freude über deine Rückkehr. Zukünftig kannst du in deiner Rolle maßgeblich zum Erfolg des Vereins beitragen. Wie kam der Kontakt zustande und wie sehr freust du dich auf die kommenden Aufgaben?

Ich war mit dem SCP und Hakan ständig in Kontakt. Als mich ein Anruf der Verantwortlichen erreichte, musste ich nicht lange überlegen. Ich denke nach der ganzen Corona Zeit hat man umso mehr Lust etwas zu bewegen. Einen Verein mitzuführen ist eine soziale Aufgabe der ich mich gemeinsam mit allen Menschen hier stellen möchte. Für mich ist das Gemeinschaftsgefühl sehr wichtig, nur dann können wir als Verein den nächsten Schritt gehen.

Der SCP hatte es in der Vergangenheit nicht leicht – sportlich ging es zwischenzeitlich bis runter in die Landesliga. Doch inzwischen steht der Verein auf gesunden Beinen. Die gute Nachwuchsarbeit und NLZ-Kooperation mit dem VfB Stuttgart wird auch in Zukunft für Nährboden und Entwicklung sorgen. Welche Ziele möchtest du mit dem SCP erreichen?

Die oberste Priorität hat für mich leistungsorientiertes und professionelles Arbeiten. Unsere infrastrukturellen Voraussetzungen sind sehr gut, hier gilt ein großes Dankeschön an die Stadt Pfullendorf und an den Vereinsvorstand. Wir können auf eine starke Nachwuchsarbeit zurückgreifen und wollen unseren Talenten Platz zur Entwicklung bieten. Für uns ist jedoch klar, dass wir viele kleine Schritte machen müssen um einen großen Schritt zu gehen.

In diesem Jahr schien der Oberliga-Aufstieg im Bereich des Möglichen. Aufgrund der Historie und den Voraussetzungen sieht das breite Umfeld diesen Aufstieg als sehr wichtig an – wird dieser in der nächsten Saison Teil der Zielsetzung?

Momentan sind wir mitten in der Kaderplanung für die neue Saison. Sobald unser Team steht, werden wir unsere Ziele formulieren. Klar ist, wir möchten einen Schritt nach vorne machen.

Im Sommer werden sicher einige Verträge auslaufen. Es wird Zu- und Abgänge geben. Steht der Verein vor einem Umbruch?

Es wird keinen großen Umbruch geben – eher Ergänzungen zum bestehenden Kader. Wir haben unseren Spielern klar kommuniziert was wir uns vorstellen. Wenn sie bereit diesen Schritt mitzumachen ist alles gut. Falls nicht, möchten wir niemanden aufhalten.

Mit unserem zukünftigen Cheftrainer Hakan Karaosman durftest du bereits in Lustenau zusammenarbeiten. Ihr kennt euch sehr gut – wie sehr freust du dich auf die Zusammenarbeit?

Wir kennen uns schon sehr lange und haben ein großes Vertrauensverhältnis. Ich denke wir ergänzen uns mit unseren Sichtweisen auf die Dinge sehr gut. Das wir zusätzlich noch befreundet sind ist schön, dass hindert uns jedoch nicht daran unsere Arbeit professionell zu machen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und werde versuchen ihn bestmöglich zu unterstützen.

In den nächsten Jahren wird man immer wieder die Möglichkeit haben eigene Talente in die 1. Mannschaft einzubauen. Ist diese Integration der jungen Spieler fester Bestandteil deiner Philosophie?

Aufjedenfall! Gerade in diesen Zeiten muss man sich klarwerden, dass wirtschaftliche Möglichkeiten nicht unendlich sind. Deshalb liegt auch in dieser Saison die Priorität auf der U21, welche für die Talente eine Möglichkeit bieten soll sich weiterzuentwickeln und im Herrenfußball anzukommen. Es gilt in den kommenden Jahren den Weg mit unserem eigenen Nachwuchs zu bestreiten, auch wenn es ohne externe Spieler nicht gänzlich funktionieren kann.

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